Projekt „Erziehung über Grenzen denken – Wilhelm Reins pädagogischer Korrespondenznachlass“

Das Projekt „Erziehung über Grenzen denken – Wilhelm Reins pädagogischer Korrespondenznachlass“ wird seit April 2022 von der DFG gefördert und wurde im Berichtszeitraum maßgeblich vorangetrieben. Das Vorhaben verbindet exemplarisch den Bedarf der bildungshistorischen Forschung nach gut aufbereiteten und digital auswertbaren Quellenkorpora mit dem Ziel der BBF, solche Infrastrukturen in enger Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Community und passend zu deren Bedürfnissen zu entwickeln und frei verfügbar bereitzustellen.
Wilhelm Rein (1847–1929) war ein deutscher Erziehungswissenschaftler und Herausgeber des siebenbändigen Grundlagenwerks „Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik“. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit engagiert er sich auch politisch für pädagogische Reformen und war gut vernetzt. Das Projekt wird in Kooperation mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena realisiert, die die wissenschaftliche Auswertung des umfangreichen Briefnachlasses von Wilhelm Rein übernimmt. Von besonderem Interesse sind dabei Personengruppen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihres sozialen, fachlichen oder akademischen Status, ihrer Religion oder ihrer geographischer Herkunft bildungsgeschichtlich unterrepräsentiert waren. Daran anschließend wird die Frage untersucht, inwieweit solche pädagogischen Akteur*innen in Reform und Modernisierung pädagogischer Strukturen, Theorien und Praxen eingebunden waren. Die BBF unterstützt wiederum diese Arbeit, indem die Mitarbeitenden die Quellen entsprechend aufbereiten und sie als nachnutzbare Ressource über die BBF-Plattform „EditionenBildungsgeschichte“ bereitstellen.
In der bisherigen Projektlaufzeit wurden mehr als 8.000 Briefseiten, die überwiegend handschriftlich vorliegen, gemäß den Richtlinien der „Text Encoding Initiative“ (TEI) transkribiert und annotiert. Das sind dieselben Richtlinien, die auch schon im Projekt zum „Jahrbuch Historische Bildungsforschung“ zum Einsatz kamen (siehe „Transformation des Jahrbuchs …“). Dabei zeichnen die Expert*innen forschungsrelevante Entitäten wie etwa Personen, Orte und Werke aus und reichern sie mit Kontext-Informationen an. Hierfür nutzen sie überwiegend vereinheitlichte Informationen, die beispielsweise aus der „Gemeinsamen Normdatenbank“ (GND) stammen. Diese Arbeiten ermöglichen es, die Briefe mit computergestützten Daten- und Textanalysemethoden auszuwerten. Die Forschenden wollen damit unter anderem mehr über die Kontakt- und Netzwerkstrukturen im Umfeld Reins herausfinden.
Das Briefkorpus sowie ergänzende Forschungsdaten, wie biographische und bibliographische Informationen zu den beteiligten Korrespondent*innen, werden zu Projektende frei online bereitgestellt. Das entspricht der Open-Science-Strategie des DIPF. Zudem wurden in dem Projekt Möglichkeiten der KI erprobt, Handschriften zu erkennen und automatisiert Daten in unterschiedliche technische Systeme zu überführen. Auf Basis dieser Erfahrungen hat die BBF neue Workflows für die Bearbeitung von Quellenkorpora entwickelt.
Im Mai 2024 hat das Team ein Folgeprojekt bei der DFG beantragt. Ziel ist es, die Bearbeitung und wissenschaftliche Auswertung des bedeutenden Quellenmaterials fortzusetzen und und dieses dabei um oft nur in der BBF vorhandene Zeitschriftenquellen zu erweitern.
Literatur
Grundig de Vazquez, K. & DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation / Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (Hrsg.). Pädagogischer Korrespondenznachlass Wilhelm Rein (EditionenBildungsgeschichte). Frankfurt am Main: DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Verfügbar unter: https://editionen.bbf.dipf.de/exist/apps/briefedition-wilhelm-rein/index.html
Grundig de Vazquez, K., Krefft, A. & Thoden, K. (2023). Forschung, Informationswissenschaft und Archiv = drei Perspektiven auf eine Aufgabe. In A. Busch & P. Trilcke (Hrsg.), DHd2023: Open Humanities, Open Culture: 9. Jahrestagung des Verbands Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e.V., Universität Luxemburg & Universität Trier, 13. bis 17. März 2023, Konferenzabstracts (S. 142-146). Genève: Zenodo. doi:5281/zenodo.7688631