Die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) ist eine zentrale Gedächtnisinstitution des deutschen Bildungswesens und ein „Information Hub“ (siehe Grafik „Die BBF als Information Hub“) für die historische Bildungsforschung in Deutschland. Als Forschungsbibliothek sammelt und erschließt sie zentrale Quellenbestände sowie Forschungsliteratur zur deutschen Bildungsgeschichte im internationalen Kontext und stellt diese digital bereit. Zudem baut sie digitale Infrastrukturangebote passgenau aus – angeregt und unterstützt durch eigene bildungshistorische Forschung.
Forschung
Geforscht wird insbesondere zur neueren und zeithistorischen Bildungsgeschichte, oft mit Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Problemen; dabei werden namentlich Schul- und Unterrichtspraktiken sowie das Wissen und die Erinnerungsprozesse in den Blick genommen. Einen Schwerpunkt hierbei bildet die Bildungsgeschichte der DDR als Teil der gesamtdeutschen Geschichte, zumal die BBF zu diesem Feld über umfangreiche Bibliotheks- und Archivbestände verfügt. Im Juni 2024 ist dazu ein neues Transferangebot der Abteilung online gegangen, die Informationsplattform „Bildungsmythen in der langen Geschichte der DDR“, die in Kooperation mit mehreren Universitäten umgesetzt wurde (siehe das Interview mit Nele Herzog). In weiteren Transferangeboten wie der „Kolumne“ auf „bildungsgeschichte.de“ oder Podcast-Beiträgen zur Schulgeschichte und zum Abitur informiert die BBF über ihre Forschungserkenntnisse. Sie bietet so Orientierungswissen zu aktuellen bildungspolitischen Debatten.
Digital History of Education
Die digitale Transformation der Forschungsbibliothek hat die BBF auch im Berichtszeitraum konsequent fortgesetzt. Gedächtniseinrichtungen stehen heute vor der grundlegenden Aufgabe, ihre Angebote und ihre Arbeitsweise an die technischen und medialen Entwicklungen und die damit in Zusammenhang stehenden Veränderungen der Wissenschaftslandschaft anzupassen. Dadurch wandeln sich nicht nur die Arbeitsprozesse der BBF, sondern es wandelt sich auch der Charakter ihrer Sammlungen.
Als Infrastruktur- und Forschungseinrichtung folgt die Abteilung den Prinzipien von „Open Science“ und kooperiert gezielt mit der Community der historischen Bildungsforschung. Dabei arbeiten die BBF-Expert*innen konsequent darauf hin, ein neues, von ihnen entwickeltes Paradigma zu etablieren: eine „Digital History of Education“. Dabei geht es nicht nur darum, Quellen und Informationen digital bereitzustellen. Ziel ist ebenso, die datengestützte Forschung im Fach fest zu verankern. Eine gemeinsame Berufung mit der Humboldt-Universität zu Berlin schärfte Anfang 2024 das eigene Forschungsprofil der BBF in diesem Bereich: Die befristete W2-Professur „Historische Bildungsforschung mit dem Schwerpunkt Digital Humanities“ wurde mit PD Dr. Katharina Vogel besetzt. Sie wird unter anderem das Ende 2023 eröffnete „Digital History of Education Lab“ (DHELab, siehe „Digital History of …“) weiterentwickeln. Zudem fördert die Abteilung einen systematischen Umgang mit Forschungsdaten und eine konsequente Nachnutzung von Daten der empirischen Bildungs- und Sozialforschung in der historischen Forschung (siehe „Schule im Wandel …“).
Die BBF erweitert kontinuierlich ihre digitalen Angebote und passt sie an die technologischen Entwicklungen und die Bedürfnisse der Forschung an. Diese Angebote richten sich an die Fachcommunity und werden häufig in Zusammenarbeit mit ihr weiterentwickelt, sei es durch die Mitarbeit an einzelnen Projekten (siehe ein Beispiel unter „Erziehung über Grenzen …“) oder durch eine breiter angelegte fachliche Unterstützung, etwa über die Plattform „bildungsgeschichte.de“ oder das „Jahrbuch für Historische Bildungsforschung“ (siehe „Transformation des Jahrbuchs …“).
Einen schweren Rückschlag für diese Aktivitäten und den Ausbau der Digital History of Education bildete der massive Cyberangriff auf das DIPF im Oktober 2022. Die meisten digitalen Infrastrukturen und Angebote der BBF waren davon betroffen. Vor allem die Archivdatenbank verzeichnete beträchtliche Datenverluste: Erschließungsdaten zu 18 Beständen mit einem Umfang von mehr als 100 laufenden Metern gingen komplett verloren, für weitere 35 Bestände im Umfang von etwa 400 Regalmetern waren Nacherfassungen notwendig. Bis Ende 2024 konnten die Mitarbeitenden die Daten für 263 Regalmeter wiederherstellen – auch durch zusätzliche Fördermittel. Die Arbeitsdatenbanken für das Archiv sowie für die Online-Angebote „ScriptaPaedagogica“ und „PicturaPaedagogica“ mussten von Grund auf neu aufgebaut werden, wodurch sie den Nutzer*innen für einen längeren Zeitraum nicht zur Verfügung standen. Um Forschenden dennoch Zugriff auf Materialien zu ermöglichen, wurde das Angebot der On-Demand-Digitalisierung in dieser Übergangszeit ausgebaut. Der weitere Wiederaufbau erfolgt in einer neuen, verteilten Struktur, um resilienter auf einen möglichen neuen Angriff reagieren zu können.
Sammlungen und internationale Vernetzung
Alle genannten Entwicklungen im Bereich Digital History of Education stützen sich auch weiterhin auf die bibliothekarischen und archivarischen Aufgaben der BBF. Sie ergänzt die Quellen- und Literaturbestände (derzeit etwa 780.000 gedruckte Medien und rund 2.000 laufende Meter Archivalien) zielgerichtet und baut neue Schwerpunkte aus beziehungsweise auf. Aktuell plant die BBF etwa den Aufbau einer Sammlung zur Geschichte der „Large Scale Assessments“, einem zentralen Tätigkeitsfeld des DIPF. In den Jahren 2023 und 2024 erwarb die Bibliothek rund 11.200 gedruckte und Online-Medien und arbeitete sie ein, außerdem übernahm das Archiv rund 15 Regalmeter Archivalien und erschloss 46 Regalmeter neu. Im selben Zeitraum – und nach den Einschränkungen in der Pandemiezeit – hat die Nutzung von Bibliothek und Archiv vor Ort wieder deutlich zugenommen.
Die internationale Vernetzung gewinnt für die BBF zunehmend an Bedeutung. Ein Beispiel ist das 2023 erfolgreich durchgeführte 19. Symposium der Schulmuseen und bildungshistorischen Sammlungen in Europa. Dabei diskutierten zahlreiche Expert*innen über das Verhältnis von digitalen und physischen Sammlungen. Es ging insbesondere darum, wie sich digitale Angebote in internationaler Kooperation aufbauen lassen. Ziel ist es zum einen, den Zugang zu den Sammlungen unabhängiger von Zeit und Ort zu ermöglichen – auch über nationale Grenzen hinaus. Zum anderen ließen sich durch die verteilten Strukturen Ressourcen sparen. In diese Richtung arbeitet auch das „International Network of Educational History Collections“ (INEHC). Es wurde 2023 gegründet – unter maßgeblicher Beteiligung der BBF, die auch die Geschäftsführung übernommen hat. Ebenfalls international ausgerichtet ist das 2013 eingeführte Stipendienprogramm der BBF, das im Berichtszeitraum unter anderem Wissenschaftler*innen aus Brasilien, den USA und Italien nutzten.
Die folgenden Beschreibungen von vier Vorhaben aus dem Berichtszeitraum, Forschungsprojekte und solche zur Entwicklung der Infrastrukturen, veranschaulichen die dargelegten Aufgaben und strategischen Ziele. Dabei wird in unterschiedlicher Weise das Zusammenwirken der verschiedenen Arbeitsbereiche und Expertisen der BBF deutlich.